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Zug

Kritiker werfen Leitung des Instituts Montana Zugerberg Machtspiele und Vetternwirtschaft vor

Inkompetenz, soziale Schwäche? Die Leitung des Instituts Montana Zugerberg soll den Geist der renommierten Privatschule zerstören, so der Vorwurf. Die Kritiker verstecken sich hinter anonymen E-Mails, die Verantwortlichen sprechen von haltlosen Anschuldigungen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Das Institut Montana auf dem Zugerberg.

(Bilder: Matthias Jurt (Zug, 23. April 2021))
Alexander Biner. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 12. Juni 2020)

Kilian Küttel

 

Stadt Zug, Baarerstrasse 12, Anwaltskanzlei Kaiser Odermatt & Partner. Zwei Männer betreten ein Sitzungszimmer, die eine nach links gekämmte Frisur gleich verbindet wie eine gemeinsame Mission.

Alexander Biner und Patrik Odermatt lenken als Präsident und Verwaltungsrat die Geschicke des Instituts Montana; der Privatschule auf dem Zugerberg, an der gut 300 Schülerinnen und Schüler aus über 40 Ländern unterrichtet werden. Und wo der Platz am internationalen Internat 60 000 Franken im Jahr kostet.

Auch Biner (1970–1978) und Odermatt (1997–2000) haben eine Ausbildung in den Häusern Felsenegg und Schönfels genossen, die hoch über der Stadt Zug thronen – und in denen vieles nicht mehr so idyllisch sein soll, wie es die Schule nach aussen präsentiert.

Dies suggerieren jedenfalls die anonymen E-Mails, die im Umfeld der Einrichtung kursieren und weswegen Biner und Odermatt zum Treffen geladen haben – nachdem unsere Zeitung Fragen zu einer Anzeige der Privatschule und einer darauffolgenden Untersuchung stellen wollte. Denn momentan läuft ein Verfahren wegen Verdachts auf üble Nachrede, mehrfache Beschimpfung und versuchte Nötigung, wie die Staatsanwaltschaft Zug bestätigt.

Absender: unbekannt

Auslöser ist eine E-Mail, die am 21. Februar in Alexander Biners Postfach landet. Auch unsere Zeitung erhält das Schreiben eines unbekannten Absenders. Dem Wortlaut und der Adresse nach zu urteilen, könnte Autorin oder Autor Lehrperson am Institut Montana sein. Beweisen lässt sich das nicht.

Wer auch immer dahinter steckt, will aus dem Innern der Schule berichten, wo sich offenbar viel Wut angestaut hat. Die Person schreibt, Kultur und Moral seien auf einem historischen Tief; Mitarbeiter und Lehrer hätten Angst, Morgen für Morgen auf dem Zugerberg zu erscheinen:

«Wir hatten eine Leidenschaft, für das, was wir tun. Wir haben uns gefreut, zu kommen und alles zu geben. Wir haben die Herausforderung geliebt. Aber jetzt bringen wir einfach den Tag hinter uns, holen unseren Lohn ab und warten darauf, etwas Besseres zu finden.»

Grund für den Frust ist offenbar eine Anweisung des akademischen Leiters, der zur fünfköpfigen Schulleitung um Direktor Biner gehört. Wie der Autor schildert, sollten sich die Lehrer am Folgetag auf dem Zugerberg zur Weiterbildung einfinden, ehe die Schule am 23. Februar nach den Ferien wieder startet. An der Fortbildung müsse man persönlich erscheinen. Eine Teilnahme per Videocall, so heisst es in der E-Mail, sei nur mit ärztlichem Attest möglich.

Für den Autor oder die Autorin verstösst das gegen die Homeofficepflicht, die seit dem 18. Januar gilt und die Arbeitgeber laut dem Bund umsetzen müssen, sofern das «aufgrund der Art der Aktivität möglich und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar ist». Auch der Ton des akademischen Leiters ist dem Autor zuwider. Seine Vorgänger hätten den Lehrern in dieser Situation eine erholsame Pause gewünscht, der jetzige Akademieleiter wolle zeigen, wer der Chef ist. Die Weiterbildung – nur Schikane?

Der Autor jedenfalls nimmt die Aufforderung zum Anlass, der Schulleitung Inkompetenz und soziale Schwäche zu unterstellen, ihr vorzuwerfen, den Geist des Montanas zu zerstören und Lehrer und Mitarbeiter zu demotivieren.

Verdiente Mitarbeiter sind gegangen

In den Wochen nach dem 21. Februar schickt der Absender unserer Zeitung mehrere solcher Nachrichten. Je länger, je mehr richtet sich die Wut auf Alexander Biner, der sich anhören muss, Familienmitgliedern überbezahlte Jobs an der Schule zuzuschanzen, eine schlechte Führung zu tolerieren und Probleme «unter den Teppich zu kehren».

Auch Schüler bekommen die E-Mails, die sie auf Anweisung des Autors an ihre Eltern weiterleiten, und von denen bis zum Schluss unklar ist, wer sie schreibt. Mehrmals verweigerte sich die Person einem Treffen, wollte ihre Identität trotz Zusicherung von Quellenschutz nicht preisgeben – aus Angst, ihren Job zu verlieren, wie sie schreibt.

Was hat es mit den Vorwürfen und dem mutmasslichen Zerfall im Montana auf sich? Tatsächlich sind auf dem Zugerberg jüngst Dinge passiert, die gerne vorkommen, wenn in einer Firma etwas nicht stimmt. Alleine seit letztem Sommer haben mindestens drei Kaderangestellte die Schule verlassen. Ebenfalls kam es im Verwaltungsrat zu mehreren Wechseln, wobei 2018 und 2019 zwei Personen aus dem Gremium ausschieden, die erst Monate zuvor gewählt worden waren.

Goldfarbene Waffen, Rolls-Royce, Pelzmantel

Gleichzeitig arbeiten Personen für die Schule, deren Eigendarstellung in den sozialen Medien zumindest nicht immer so Recht ins Selbstbild der Institution passen will. Das Montana sieht sich als Gemeinschaft von Menschen, die «umgeben von schönster Natur friedlich zusammenlebt». Die 46-seitige Schulordnung verbietet den Schülerinnen und Schülern etwa, «überdimensionierte externe Marken-Logos» oder «paramilitärische Kleidung» zu tragen, und droht mit disziplinarischen Massnahmen, wenn «Waffen, Waffenattrappen» oder «waffenähnliche Gegenstände» gefunden werden.

Demgegenüber veröffentlicht ein vergleichsweise neuer Montana-Mitarbeiter Bilder und Videos auf Instagram, in denen mit einer goldfarbenen Pistole und einem Sturmgewehr, wahrscheinlich vom Typ AK 47, geschossen wird. Oder er posiert in Pelzmantel und Designerkleidern vor einem Rolls-Royce. Auch eine Mitarbeiterin der höheren Chargen frönt dem Umgang mit Waffen und teilt das im Internet mit der Öffentlichkeit.

Dennoch: Wer auf seinen Abgang im Montana angesprochen wird, sagt in den allermeisten Fällen, er sei aus persönlichen Gründen und im Guten gegangen, habe auf dem Zugerberg schöne Jahre verlebt und keine Probleme mit den Leuten gehabt, die die Schule heute führen.

Allerdings ist auch – sehr vereinzelt – zu hören, man sei froh, nicht mehr auf dem Zugerberg arbeiten zu müssen. Öffentlich mit Namen aber würde niemand hinstehen. Damit verhält es sich mit den Ex-Angestellten gleich wie mit den aktuellen: Entweder, sie ignorieren unsere Anfragen oder sie verweisen an den Verwaltungsrat.

Verwaltungsräte taxieren Vorwürfe als falsch und unfair

Im Sitzungszimmer an der Baarerstrasse haben Patrik Odermatt und Alexander Biner Platz genommen. Eine Dreiviertelstunde wird das Gespräch dauern, das deutlich macht: Die Affäre hat sich für die Führung des Montanas zu einem Ärgernis ausgewachsen, auf das sie gut verzichten könnte. Und sie wäre augenscheinlich nicht unglücklich, wenn nicht darüber geschrieben würde – auch wenn das keiner der beiden Verwaltungsräte sagen würde.

Patrik Odermatt, Gründungspartner und Namensgeber der Kanzlei, HSG-Absolvent, Spezialist für Betreibungs- und Konkursrecht, wird in diesen 45 Minuten am meisten sprechen:

«Wer auch immer diese Kritik formuliert, ist kein Whistleblower mit ehrenhaften Motiven, der helfen will, Probleme zu lösen.»

Die Anschuldigungen seien aus der Luft gegriffen, faktisch falsch und so «ungebührlich gegen einzelne Personen formuliert», dass man weder im Detail drauf eingehen könne, noch wolle. «Nicht einmal wissen wir, wer diese E-Mails schreibt.» Ob Schüler, Lehrer oder vielleicht sogar die Konkurrenz – vieles sei möglich, nichts wirklich auszuschliessen. Nur:

«Solange wir die Identität nicht kennen, können wir auf niemanden zugehen. So ist es unmöglich, Missstände zu beheben, sollten denn tatsächlich solche vorliegen.»

Das ist nicht der Fall, glaubt Alexander Biner, ein älterer Herr im weinroten Pulli, der meist zuhört, und wenn er spricht, die Vorzüge seiner Schule preist. Man sei eine Familie auf dem Zugerberg, die Einrichtung von Ehemaligen geführt und getragen, 25 Absolventen würden über die letzten Jahre hinweg für das Institut arbeiten.

«Wir haben heute so viele Kinder und Jugendliche wie nie im Montana. Auch wenn es Leute gibt, die das behaupten – alles können wir nicht falsch gemacht haben.»

Auf die konkreten Vorwürfe gehen die Verwaltungsräte am Gespräch nicht ein. Den Urhebern wollten sie nicht noch mehr Aufmerksamkeit geben, über einzelne Vertragsverhältnisse rede man grundsätzlich nicht. Vor allem aber schweigen sich Odermatt und Biner wegen des laufenden Strafverfahrens über Details aus. Jedoch nimmt Odermatt einige Tage später und auf Nachfrage hin Stellung, wie das Montana zur Kritik der verletzten Homeofficepflicht steht. Er schreibt, die Gesundheit von Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern sei das höchste Gut:

«Deshalb beschränken wir Veranstaltungen ausserhalb des Präsenzunterrichts auf das Nötigste und schenken den etablierten Sicherheitsmassnahmen von Bund, Kanton und Berufsorganisationen grösste Aufmerksamkeit.»

Zusammen mit dem Institut Montana anerkennt der Kanton Zug 17 Privatschulen für die obligatorische Schulzeit. In den letzten drei Jahren waren 112, 110 und 105 Zuger Schülerinnen und Schüler auf dem Zugerberg eingeschrieben, mit 500000 Franken hat sich der Kanton an deren Schulgeldkosten beteiligt. Mit einem Gesuch um Anerkennung verpflichten sich die Institutionen, eine externe Schulevaluation durch die kantonale Bildungsdirektion zuzulassen.

Was tut der Kanton als Aufsichtsorgan?

Auf die Frage, wie der Kanton als Aufsichtsorgan die Vorwürfe an der Montana-Schulleitung aufnimmt, schreibt die Bildungsdirektion, man äussere sich nur selten zu anonymen Zuschriften. Vorliegend nehme man keine Stellung – weder zur Frage, ob der Kanton Kenntnis von den Vorwürfen hat, noch, ob er diesen nachgeht.

Erste Antworten liefern vielleicht die Strafverfolgungsbehörden. Wie Odermatt und Biner sagen, sei es ihre Pflicht als «fürsorglicher Arbeitgeber, die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden zu achten und gegen unerlaubte Eingriffe Dritter zu schützen».

Und wahrscheinlich geht es der Führung auch darum, etwas gegen den drohenden Rufschaden zu unternehmen. Wer Schuld daran ist, dass die Reputation der Schule leiden könnte – das ist auf dem Zugerberg umstritten.

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